Blog #31b, Marlene (März 2024, Süd Indien, Teil II)

Ayurvedakur für unsern Unimog in Ooty

Udagamandalam oder besser bekannt als Ooty, liegt inmitten von sieben Hügeln und ist ein beliebter Bergkurort in den Westghats. Der eigentliche Name scheint sogar für die Inder zu kompliziert, daher die geläufige Kurzform. Dank eines Kontakts aus Chennai konnten wir einen Betrieb finden, der sich auf Unimogs spezialisiert hat. Unser Unimog brauchte dringend eine Auffrischung, oder wie wir es nennen, eine "Ayurvedakur".

 

Ooty wurde ursprünglich als Sommerresidenz für die britische Kolonialverwaltung gegründet und verfügt noch immer über eine dampfbetriebene Eisenbahnlinie. In der Stadt gibt es auch eine internationale Schule, was die Präsenz wohlhabender Familien erklärt. Entsprechend bietet Ooty einige hübsche Restaurants, Gourmetläden und allerlei köstliche Delikatessen. Mit etwa 100'000 Einwohnern und einer Lage auf 2'240 Metern Höhe, entkommen wir hier der drückenden Hitze der tiefer gelegenen Gebiete. Es ist klar, warum die Briten diesen Ort im Sommer bevorzugten.

 

Unser Unimog wird gründlich überarbeitet. Die Liste beinhaltet 25 Punkte. Die rostigen Schutzbleche werden abmontiert, auseinandergeschnitten und die beschädigten Teile durch neue ersetzt. Die Handwerker entfernen den Rost, reinigen den Unterboden und versiegeln ihn. Der Motorraum wird gewaschen, gefettet und glänzt wieder wie neu. Die Reifen, die Keilriemen und Bremsklötze werden ausgetauscht und unsere Campingstühle bekommen neue Sitzbezüge.

 

Der Fiberglas-Spezialist behebt die Dellen und Lecks in der Box, die wir uns in Rishikesh eingefangen hatten. Der Mann ist mit seinem Sohn eigens für diesen Fall von Chennai nach Ooty gefahren. 8 Stunden Hinfahrt, 3 Stunden arbeiten zwischen 21.00h und 24.00h und 8 Stunden Rückfahrt. Die Inder sind schmerzfrei in solchen Situationen. Einfach unglaublich!

 

Wir nutzen die Zeit, um auch unseren Wohnbereich und die Fahrerkabine gründlich zu reinigen. Dani hilft, wo er kann, während ich in die Stadt gehe, um einzukaufen und die Einkäufe den Hügel hin aufzuschleppen. An einem der Abende besuchen wir das örtliche Kino, wo wir eigentlich Bollywood-Kitsch erwarteten, stattdessen aber einen actiongeladenen Film mit vielen Kampfszenen sahen. Später erfahren wir von Benjamin, unserem Gastgeber, dass in manchen Kinos sogar Raketen abgefeuert werden, was für brenzlige Situationen sorgen kann. In unserer Vorstellung waren nur ein paar betrunkene Besucher, die wohl dort ihren Rausch ausgeschlafen haben.

 

Nach 18 Tagen ist unser Unimog wieder voll funktionsfähig. Die Liste ist abgearbeitet und wir verlangen die Rechnung. Jetzt kommt das verrückteste. Benjamin wollte nichts dafür haben. Wir sind konsterniert und fragen nochmals nach. Unsere Gesellschaft und der Informationsaustausch über Unimogs sind ihm Lohn genug.

 

Zum Glück durften wir die Reifen im Voraus bezahlen. So sind wir im Besitz seiner Kontodaten. Wir haben ihm trotz seinem grosszügigen Angebot einen angemessenen Betrag überwiesen.


Von Mysuru nach Hampi

Bundesstaat Karnataka

 

 

In dieser Region Indiens setzte ich vor Jahren meine ersten beiden Markierungen. Unser Weg führt uns zunächst nach Mysuru, wo wir den Amba Vilas Palast besuchen. Dieses prächtige Bauwerk liegt im Herzen der Stadt und war einst die Residenz der Maharadschas des ehemaligen Fürstentums Mysore. Nachfahren dieser Herrscherfamilie bewohnen noch immer Teile des eindrucksvollen Palastes.

 

Weiter geht es zur archäologischen Stätte Hampi, deren magischer Ruf weit über die Grenzen Indiens hinausreicht. Im 14. Jahrhundert gründeten die Prinzen Hukka und Bukka (ja, sie hiessen wirklich so) diese einst glanzvolle Stadt, die heute das grösste Open-Air-Museum Indiens ist. Die eindrucksvollen Ruinen, einst Teil einer glorreichen Dynastie, sind mittlerweile UNESCO-Weltkulturerbe. Die Umgebung ist geprägt von mächtigen Felsen und Hügeln, durch die sich der Tungabhadra-Fluss schlängelt.

 

 

Der Fluss lädt zum Baden ein, doch die Schilder mit Krokodilwarnungen halten uns davon ab. Von einem Krokodil gefressen zu werden, steht definitiv nicht auf unserem Reiseplan! Trotzdem fasziniert uns Hampi mit seiner einzigartigen Atmosphäre, der Geschichte und der Architektur, die einen Blick in vergangene Epochen ermöglicht.


Urlaub im kleinsten Bundesstaat Indiens, Goa

Nach zwei Tagen voller Kultur und der sengenden Sommerhitze in der Stadt entscheiden wir uns, in den kleinsten Bundesstaat Indiens zu fahren: Goa, bekannt für seine traumhaften Buchten und malerischen Strände. Die portugiesische Kolonialgeschichte von Goa, die bis 1961 dauerte, zeigt sich in den gut erhaltenen Kirchen aus dem 17. Jahrhundert sowie in den tropischen Gewürzplantagen, die die Region durchziehen. Ein weiteres bekanntes Produkt sind die köstlichen und teuren Cashewnüsse, die hier angebaut werden.

 

 

Die Hippie-Bewegung der 1960er-Jahre machte Goa legendär, als zahlreiche Amerikaner und Europäer hier ein friedliches und erfülltes Leben suchten und oft auch fanden. Wir entschieden uns für das ruhige Fischerdorf Agonda im Süden von Goa, abseits der belebteren Strände, die mehr für ihre Partyszene bekannt sind.

 

 

Von hier aus erkunden wir die Umgebung und unternehmen Dschungelwanderungen zu entlegenen Buchten. Eine unserer Stationen ist das Geisterhotel Sina, ein Projekt, das von russischen Investoren finanziert wurde. Doch bevor es fertiggestellt werden konnte, gingen die Bauherren bankrott, und ein Russe wurde auf mysteriöse Weise ermordet. Als wir durch die verlassenen Räume schlendern, wecken wir schlafende Fledermäuse auf, die uns rasch um die Köpfe flattern.

 

 

Während wir mit unserem Boot durch die Backwaters tuckern, entdecken wir einen Baum, in dem Hunderte von Flughunden hängen. Auch diese wecken wir aus ihrem Schlaf, und sie flattern aufgeregt über uns hinweg. Bei einzelnen sieht man sogar Babies am Bauch der Mutter hängen. Wir hoffen nur, dass keiner von ihnen uns mit seinen Ausscheidungen trifft – gleichzeitig ekelhaft und faszinierend, diese fliegenden Hunde.

 

 

Im Vorfeld hatten wir einige negative Geschichten über Goa gehört, können dies jedoch nicht beurteilen, da wir uns vor allem in den ruhigeren Teilen aufgehalten haben. Agonda Beach hat uns sehr gefallen, und überfüllte Partystrände konnten wir umgehen. Für Reisende, die gutes Essen, Yoga und Meditation suchen, können wir diesen Ort definitiv empfehlen.


Zwischenhalt bei Allan

Mumbai, früher bekannt als Bombay, ist eine der am dichtesten besiedelten Städte Indiens und die zweitgrösste Metropole des Landes. Die Stadt pulsiert vor Hektik, und die Menschen hier wirken uns Westlern erstaunlich ähnlich. Ruhe und Beschaulichkeit sind hier so gut wie verschwunden. Der Wettbewerb um Geld und Erfolg ist allgegenwärtig - fast wie in unseren westlichen Welt.

 

Unser Kontakt in Mumbai ist Allan, ein Bekannter von Freunden aus München. Allan betreibt in einem Industrieviertel eine Werkstatt, die sich auf die Restaurierung von Classic Cars spezialisiert hat – sowohl für sich selbst als auch für wohlhabende Kunden. In einem privaten, dreistöckigen Parkhaus werden Dutzende Fahrzeuge gelagert. Ein Mitarbeiter ist ausschliesslich dafür verantwortlich, diese Autos regelmässig zu fahren, um Standschäden zu verhindern.

 

Zu ihm haben wir Solarkollektoren aus China liefern lassen. Die teuren Paneele aus Deutschland, die wir vorher hatten, haben uns zum zweiten Mal enttäuscht. Trotz ihrer hohen Kosten und der Versprechen des Herstellers erwiesen sie sich als unzuverlässig. Vor zweieinhalb Jahren mussten wir sogar 6000 Kilometer zurücklegen, um sie austauschen zu lassen. Die "neue und verbesserte" Generation hat sich als völliger Fehlkauf erwiesen - teurer Müll, der unseren Anforderungen nicht gerecht wird. 

 

Dani steigt mit einem fleissigen Team aufs Dach und beginnt, die mühsam aufgeklebten Paneele zu entfernen. Wir wissen aus Erfahrung, dass die Inder ein sehr fleissiges und einfallsreiches Volk sind, und so geht die Arbeit schneller voran, als wir erwartet haben. Jetzt kommt der spannende Teil: Passen die neuen Paneele aus China?

 

Am nächsten Tag kleben die drei fleissigen Helfer die neuen Paneele sicher auf das Dach. Danach sorgt mein Multitalent dafür, dass alles korrekt angeschlossen wird. Glücklicherweise liefern die neuen Paneele Strom – vielleicht nicht ganz so viel wie versprochen, aber wir wollen nicht kleinlich sein. Das Wichtigste ist, dass das System wieder funktioniert.


Rückkehr in die Heimat: Dank an Familie und Freunde

Gesundheitschecks stehen an und diverse Ersatzteile warten im Keller. Wir werden herzlich und liebevoll von Familie und Freunden empfangen. Mädels, es ist, als wäre ich nie weggewesen. Ihr seid seit vielen Jahren an meiner Seite, und ich weiss genau, warum wir so lange befreundet sind! Wir geniessen die gemeinsame Zeit, doch schon nach ein paar Tagen beginnt das Fernweh, und Indien ruft uns wieder.

 

 

 

Wir sind überglücklich, der nasskalten Schweiz entkommen zu sein. Danke euch allen für das leckere Essen, die Getränke, die schönen Gespräche, die gemütlichen Matratzen und all die Liebe, die wir erhalten haben. Es ist wundervoll, zu wissen, dass unsere Verbindungen auch nach langer Abwesenheit stark bleiben.

 

 

 

Während wir nach Indien zurückkehren, nehmen wir euch im Herzen mit. Ihr bleibt unvergessen. Versprochen.


Beim Biologen und seiner Familie

Wir fahren gemächlich in Richtung Nepal und passieren heilige Kühe, Blechkühe und unzählige Kackhaufen. Die Inder sind erstaunlich geduldig und stören sich weder an dem Geruch noch an der täglichen Umgehung der Kuhfladen. Ihre Gelassenheit oder Gleichgültigkeit ist bewundernswert und etwas, das ich manchmal gerne selbst hätte. Auf unserem Weg kommen wir auch an Menschen vorbei, die am Strassenrand schlafen, nur eine Armlänge von den dröhnenden Abgasen und Hupkonzerten entfernt. Diese Kulisse macht deutlich, wie herausfordernd das Reisen in Indien sein kann.

 

Später am Nachmittag erreichen wir einen Biologen, der uns zu einer Vogeltour mitnimmt. Aber bevor es losgeht, werden wir mit einem köstlichen Mahl verwöhnt. Die 80-jährige Grossmutter des Biologen hat vorzüglich gekocht. Danach folgen wir ihm auf seinem Motorrad zu einem Staudamm, wo wir uns niederlassen, um in aller Ruhe Krokodile und Störche zu beobachten. Nicht mehr in der hektischen Grossstadt Mumbai zu sein, sondern die frische Luft zu atmen, ist eine willkommene Erholung.

 

Am nächsten Morgen brechen wir zu dritt im Morgengrauen auf, um Vögel zu beobachten. Dabei stossen wir auf Hasen und besuchen eine Bauernfamilie, die ein einfaches, stromloses Leben führt. Als wir zurückkehren, erwartet uns erneut ein Festmahl. Wir kosten hausgemachte Kokosmilch mit Erbsendaal, selbstgemachtes Reisdosa (ein leichter, knuspriger Pfannkuchen) und frittierte Bananen im Kichererbsenmantel. Die Bananenblüte aus dem Garten, gekocht und als Gemüse zubereitet, schmeckt hervorragend, und wir gönnen uns gleich zwei Portionen. Es gäbe noch mehr zu essen, aber das wäre zu viel des Guten.

 

Schon bald müssen wir Abschied nehmen, denn die Temperaturen steigen auf 40 Grad, und wir sehnen uns nach einem Sprung ins Meer. Unsere Fahrt geht weiter durch ruhige Gegenden, vorbei an Menschen, die in der Hocke ihrem Geschäft nachgehen. Ich lasse eurer Fantasie offen, welches Geschäft ich meine. Sobald wir die städtische Umgebung hinter uns lassen, wird die Landschaft märchenhaft grün. Wasserbüffel suhlen sich gemütlich in schlammigen Pfützen, und Reisfelder erstrecken sich weit über das Land.


Schon wieder auf dem Polizeiposten

Als wir am Strand ankommen, fahren wir mehrere Kilometer über den menschenleeren, festen Sand und finden eine erhöhte Stelle, um uns niederzulassen. Dani hat die Wetterbedingungen und die Gezeiten sorgfältig geprüft, und wir sind sicher, dass das Salzwasser unser Auto nicht erreichen wird, obwohl das Wasser abends ansteigen soll.

 

Doch unsere entspannte Nacht nimmt eine unerwartete Wendung, als etwa 20 «Polizisten» und neugierige Schaulustige mit Taschenlampen aufkreuzen und uns «retten» wollen. Sie fordern uns auf, dass wir das Auto verlassen und ans Festland kommen. Wir ignorieren sie zunächst, aber sie lassen nicht locker. Die Beamten ziehen ihre Schuhe aus, krempeln die Hosen hoch und waten zu uns. Sie verbieten uns, hier zu übernachten, und verlangen, dass wir mit ihnen gehen.

 

Wir erklären ihnen, dass wir das Auto nicht verlassen können, und dass das Wasser nur bis 22.00 Uhr steigen wird, dann aber zurückgeht, sodass keine Gefahr besteht. Die Beamten bezweifeln unsere Kenntnis der lokalen Gezeiten und verlangen, dass wir trotzdem mitkommen. Es folgt eine lebhafte Diskussion, bei der viel gestikuliert wird. Ich bleibe unter meinen Decken und verfolge das Geschehen von innen, ohne einzugreifen. Dani muss aufpassen, dass es nicht gehässig oder sogar handgreiflich wird.

 

Plötzlich taucht ein ruhiger junger Mann vom Immigrationsamt auf – einer nationalen Behörde. Er verlangt unsere Pässe und das Carnet de Passages. Er blättert durch die Dokumente und versucht unseren Stempeldschungel zu entziffern. Nach einer gefühlten Stunde, zahlreichen Fragen und mehreren Telefonaten gibt er die Pässe an die stummen lokalen Polizisten zurück. Es sei alles in Ordnung, erklärt er. Mittlerweile ist es 23.00 Uhr, und das Wasser ist bereits deutlich zurückgegangen. Uns wird erlaubt zu bleiben, müssen uns aber am nächsten Tag auf dem Polizeiposten melden. Als Sicherheit behalten sie unser Carnet de Passages.

 

Am frühen Morgen, bei Ebbe, verlassen wir unsere sichere Insel und begeben uns zum Polizeirevier. Der Prozess ist lang und ermüdend, aber schliesslich erhalten wir Tee und müssen uns zum Abschluss beim Kommandanten vorstellen. Er stellt uns ein paar formelle Fragen, etwa, warum wir in Indien seien. In diesem Moment löst sich ein Schwall von Lobeshymnen über Indien, die tief aus unseren Herzen kommen, und ich beginne wieder zu weinen (Indien berührt mich so sehr). Die Beamten sind sichtlich gerührt, sodass wir am Ende sogar noch ein paar Erinnerungsfotos machen und uns herzlich verabschieden.

 

Nach einigen weiteren Tagen entlang der Küste kehren wir nach Mumbai zurück. Dort angekommen, decken wir uns mit köstlichen Alfonsos ein – den unglaublich leckeren Mangos, die überall verkauft werden. Wir übernachten erneut auf dem Grundstück von Allen und nutzen die Zeit, um das Auto vom Sand und Salz zu befreien. Allen, wir hoffen, wir sehen uns bald wieder, irgendwo auf dieser Welt. Danke für deine Gastfreundschaft!


Entspannung und Inspiration in Pushkar

Die letzten Wochen in Indien verbringen wir mit langen Fahrten und einigen erholsamen Tagen in Pushkar. Erinnerst du dich? Vor sieben Monaten waren wir hier im Ashram und wurden zu Mini-Yogis ausgebildet. Nun dürfen wir erneut auf der grossflächigen Grünfläche parken und unser Lager aufschlagen. Auch wenn der Rasen nicht mehr so bunt ist wie beim letzten Mal, fühlen wir uns sofort wieder wohl.

 

Wir geniessen die Tage mit Yoga, Bauchtanz, handwerklichen Arbeiten am Auto und viel leckerem Essen. Inspirierende Begegnungen mit interessanten Menschen füllen unsere Herzen mit so viel Positivem, dass sich die Katastrophen dieser Welt etwas leichter ertragen lassen. An einigen Nächten wird es jedoch so unangenehm laut, dass wir lieber in die angrenzende Wüste ausweichen und am nächsten Morgen zurückkehren. Die Inder feiern gerade Hochzeiten und die Geburtstage von Rama und Hanuman – und wie du weisst, feiern sie unfassbar laut, intensiv und fast endlos.

 

Pushkar ist eine kleine Stadt, die gerne von Pilgern besucht wird, um im heiligen Pushkarsee ein reinigendes Bad zu nehmen. Die Stadt ist aber auch als Hippie-Paradies bekannt. Westliche Aussteiger geniessen hier das entspannte Leben und rauchen nicht nur Zigaretten. Wobei hier Alkohol, Drogen und nicht-vegetarisches Essen eigentlich verboten sind – doch wo kein Kläger ist, gibt es auch keinen Richter.


Fatehpur Sikri, Besuch in der Palaststadt von Uttar Pradesh

Bundesstaat Uttar Pradesh

 

 

Da wir genügend Zeit haben, beschliessen wir, auf unserem Weg nach Nepal einen Zwischenstopp in Fatehpur Sikri im Bundesstaat Uttar Pradesh einzulegen.

 

 

Inmitten der beeindruckenden rötlichen Palastanlage steht das Mausoleum von Sheik Salim Chishti. Dieser weise Mann machte dem Mogul Akbar hier eine bemerkenswerte Prophezeiung: Obwohl der Mogul mehrere Frauen geehelicht hatte, war er kinderlos. Doch Sheik Salim Chishti sagte ihm voraus, dass er bald drei Kinder zeugen würde.

 

 

Die Vorhersage erfüllte sich, und aus lauter Dankbarkeit liess der Mogul den Palast zu Ehren des Sheiks erbauen. Dani konnte sich einen süffisanten Kommentar nicht verkneifen: „Wenn er solche Prophezeiungen macht, hatte er wohl mehr als nur seine Finger im Spiel.“

 

 

Etwas mühsam sind die Strassenhändler, die sich an unsere Fersen heften. Wir versuchen, sie loszuwerden, doch sie sind wie Viren: Einmal eingefangen, lassen sie so schnell nicht mehr los. Dani nimmt es mit Humor, unterhält sie, diskutiert und teilt seine Gedanken mit ihnen.

 

 

Ich bin dankbar für seine Ablenkungsmanöver und kann so den Morgen in Ruhe geniessen und die alten Mauern bestaunen, bevor die drückende Hitze uns zurück ins Auto zwingt.

 


Unter Mangobäumen am Ganges

Unser Weg zur Grenze verläuft reibungslos und wir haben das Glück, nochmals zwei Tage am Ganges zu verbringen. Unter riesigen, schattenspendenden Mangobäumen stellen wir unser Lager auf und tauschen freundliche Worte mit den Hirten und den neugierigen Dorfbewohnern aus.

 

 

Die Menschen überschütten uns mit essbaren Geschenken, was uns zugleich freut und erstaunt. Dabei diskutieren wir, ob es sicher ist, Wassermelonen zu essen, die mit dem Wasser des Ganges bewässert wurden. Dani wagt den Selbstversuch und bleibt gesund – ein gutes Zeichen, also probiere ich auch ein Stück. 

 

 

In der Nähe beobachten wir Hornbill-Vögel, Störche und Inder, die gewandt auf Palmen klettern. Aus den Palmenfrüchten wird hochprozentiger Schnaps hergestellt, der berüchtigt ist für sein Risiko, Blindheit oder gar Tod zu verursachen.

 

 

Abends, wie so oft am Ganges, findet eine traditionelle Verbrennungszeremonie für einen Verstorbenen statt. Wir ziehen uns respektvoll zurück und sitzen auf dem Gras, etwas abseits.


Ayodhya, eine der sieben heiligen Stätten in Indien

Schliesslich brechen wir auf nach Ayodhya, einer historischen Stadt am friedlichen Saryu-Fluss. Ayodhya ist einer der sieben heiligen Orte des Hinduismus, denn hier soll der Gott Rama geboren sein. Rama gilt als Inkarnation des Gottes Vishnu und als vorbildlicher Mensch, der für seine Rechtschaffenheit und Güte verehrt wird. In den Ghats von Ayodhya nehmen wir ein erfrischendes Bad, komplett bekleidet. Angesichts der Hitze ist das kein Problem – die Kleider sind im Nu wieder trocken und sicherlich sauberer als zuvor. 

 

Die Inder vor Ort sind begeistert von den mächtigen Pumpen, die Wasser in den Kanal befördern, und wir teilen ihre Freude. Nach einer kurzen Ruhepause in unserer Unterkunft wagen wir uns abends nochmals in die Menge und lassen uns vom Strom der Menschen mitreissen. Wir setzen uns ans Ufer, tauchen die Füsse ins Wasser und geniessen das Spektakel von schwimmenden Kerzen, Lichtern und dem unablässigen Treiben der Menschenmenge.

 

Am frühen Morgen beschliessen wir, joggen zu gehen, aber der Weg wird schnell zu einem Hindernislauf. Die vielen Pilger machen ein Vorankommen fast unmöglich. Tja, die Inder stehen früh auf, um am Aarti teilzunehmen – einem hinduistischen Ritual, bei dem das Licht einer Kerze mehreren Gottheiten oder anderen Entitäten dargeboten wird. Das Aarti wird in der Regel am Morgen und/oder Abend durchgeführt und ist ein fester Bestandteil der hinduistischen Puja. Trotz der Menschenmassen geniessen wir die Atmosphäre und schliessen uns den Ritualen an, bevor wir unsere Reise fortsetzen.

 

 

Der letzte Tag in Indien verbringen wir mit einer herzlichen Familie die uns zum Frühstück und Abendessen eingeladen hat. Die Söhne, (angehende Mediziner wie der Vater) sprechen ausgezeichnet Englisch und so erleben wir nochmals einen indischen Familienalltag mit köstlichem….was wohl?


Dies und das

Die heilige Kuh

 

Aktuell finden Wahlen statt, und Präsident Modi, der bereits seit zehn Jahren an der Macht ist, gilt als Favorit. Er hat viele hinduistische Stimmen gewonnen, indem er das Thema der heiligen Kuh in den Mittelpunkt stellte, die in Indien besondere Rechte geniesst. Für gläubige Hindus hat die Kuh eine tiefere Bedeutung als für uns, und sie interpretieren viel in dieses Tier hinein. Kühe dürfen daher weder geschlachtet noch als Fleischlieferanten genutzt werden. Für die 200 Millionen Muslime im Land ist dies ein «rotes Tuch» und führt zu unangenehmen Situationen.

 

Ein solches Gesetz führt unweigerlich dazu, dass junge hinduistische Männergruppen (vor allem in den nördlichen Bundesstaaten) Muslime jagen, die ihrer Meinung nach das Gesetz brechen. Ohne jegliche rechtliche Grundlage kommt es immer wieder zu brutalen Lynchmorden oder schwerverletzten Muslimen. Einer der Haupttäter wurde nun vom Gerichtshof zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Einige Urteile stehen noch aus, und die betroffene Minderheit hofft auf Gerechtigkeit.

 

 

Eine Folge davon ist, dass alte Kühe oft einfach von den Besitzern vertrieben werden. Diese durchstreifen dann das Land und vernichten die Ernten der ohnehin schon armen Bauern. Im Bundesstaat Uttar Pradesh gibt es nun einen Gnadenhof für über 2000 heimatlose Kühe, die dort ein friedliches Dasein bis zu ihrem natürlichen Tod geniessen können. Weitere ähnliche Einrichtungen sind in Planung.

 

 

Hijras: Das dritte Geschlecht in Indien

 

In Indien sind Hijras, bei uns als Transvestiten oder Transgender bekannt, offiziell als drittes Geschlecht anerkannt. Sie verdienen ihren Lebensunterhalt, indem sie auf Festen wie Hochzeiten, Hauseinweihungen oder Geburten tanzen und Segnungen erteilen. Da diese traditionellen Einkommensquellen jedoch allmählich versiegen, haben Hijras nur wenige andere Arbeitsmöglichkeiten. Viele von ihnen wenden sich daher der Sexarbeit zu und sind den Risiken und Gefahren dieser Branche ausgeliefert.

 

Unsere Begegnungen mit den Hijras beschränken sich meist auf die Zahlstellen auf der Autobahn, wo sie häufig zu finden sind. Dort segnen sie die Reisenden, bitten um Almosen und verdienen so ihren Lebensunterhalt. Der Begriff "Hijra" wird oft auch mit "Eunuch" übersetzt, wobei der genaue Hintergrund und die Lebensumstände der Hijras komplexer sind als diese Bezeichnung vermuten lässt. Ihre Rolle in der indischen Gesellschaft ist einzigartig und spiegelt eine lange Tradition wider, die mit vielen Herausforderungen verbunden ist.

 

 

Unterschied zwischen Indern und Europäern

 

Der westliche Reisende startet jeden Morgen wie ein Hochgeschwindigkeitszug in den Tag. Er duscht eiskalt, isst sein Frühstück im Eiltempo und stürzt sich dann ins Getümmel. Mit steigender Uhrzeit wächst seine Gereiztheit, weil er alles mit Vollgas erledigen will. Der Inder hingegen kann einfach nur sitzen, beobachten und nachdenken. Er kann seine Zeit damit verbringen, nichts zu tun, und führt meist ein bescheidenes, aber erfülltes Leben im Einklang mit der Natur und seinem inneren Selbst. Würde nur ein wenig mehr indische Gelassenheit in uns allen leben! Aber wir haben, wie man so schön sagt, nur dieses eine Leben, während der Inder vielleicht an viele weitere glaubt.

 

Wenn man einen Inder fragt, ob es ihm gut geht, antwortet er meist mit Ja. Und wenn man ihn fragt, warum, sagt er oft, weil er uns Weissen begegnet ist. Diese freundliche, positive Einstellung könnte auch uns helfen, den Stress zu reduzieren.

 

In neun Monaten in Indien haben wir eines nicht geschafft: unseren Müll irgendwohin zu werfen oder über eine Mauer zu schmeißen. Stattdessen haben wir ihn Kilometer um Kilometer mit uns herumgetragen, den miefenden Geruch ignoriert, um ihn schliesslich vor einem überfüllten Container oder einem kaputten Abfalleimer zu platzieren. Vielleicht ist das unser bescheidener Beitrag, um die Welt ein kleines Stück besser zu machen.

Doch es gibt auch Dinge, die ich nicht vermissen werde: Zum Beispiel die fehlenden Taschentücher, die dazu führen, dass jeder Inder frühmorgens lautstark seinen Schleim aus der Nase pustet. Daran werde ich mich nie, wirklich gar nie, gewöhnen. Es ist so fremd für uns – und ehrlich gesagt, auch ziemlich eklig.

Danke, dass du bis zu Ende gelesen hast. Wir freuen uns immer wieder über einen Feedback von dir. Lass es uns wissen, was du denkst und mach uns Vorschläge, über welche Themen wir berichten sollen.