Blog #34, Marlene (Juli 2024, Demokratische Volksrepublik Laos)

Fakten zu Laos

Laos ist, wie die Schweiz, ein Binnenland. Es grenzt an China, Kambodscha, Thailand, Myanmar und Vietnam. Mit einer Bevölkerung von rund 7,5 Millionen Menschen und einer Fläche von 236'800 km² ist es knapp sechsmal grösser als die Schweiz. Die Hauptstadt, Vientiane, steht unter einer autoritären Regierung – eine Situation, deren Konsequenzen uns vertraut sind. Eines der grössten Umweltprobleme in Laos sind die Blindgänger aus dem Vietnamkrieg. Das Land zählt zu den Staaten mit der höchsten Belastung durch nicht explodiertes Kriegsmaterial. Von den über zwei Millionen Bomben, die von den amerikanischen Streitkräften in mehr als 530'000 Luftangriffen über Laos abgeworfen wurden, sind bis heute rund 50 Prozent des Territoriums betroffen. Für ein landwirtschaftlich geprägtes Land stellt dies eine nahezu unlösbare Herausforderung dar. Noch immer werden regelmässig Laoten durch Blindgänger verletzt oder getötet.

 

Auch der Analphabetismus ist in diesem wunderschönen Land ein präsentes Thema. Viele Kinder brechen die Schule frühzeitig ab, um ihrer Familie bei der Feldarbeit zu helfen. Ihre Zukunftsperspektiven sind dadurch stark eingeschränkt. Wie in vielen anderen Ländern fällt uns auf, dass die Kinder hier deutlich aufgeweckter und glücklicher wirken als in Europa, wo der gesellschaftliche Druck, die hohen Erwartungen und das ständige Starren auf Bildschirme den Alltag dominieren. 

 

Die alarmierenden Zahlen über die Zunahme depressiver junger Menschen in unseren Breitengraden sind uns allen bekannt. Wann habt ihr zuletzt Kinder gesehen, die sorglos im Schlamm spielen, mit Steinen, Blättern und Hölzchen ihre Fantasie ausleben? In Laos ist dies noch alltäglich.

 

Aufgrund der kolonialen Vergangenheit hat die französische Sprache nach wie vor Bedeutung und wird hauptsächlich von der laotischen Elite sowie der älteren Generation gesprochen. 

 

Wie bereits in China fahren wir auch in Laos weiterhin auf der rechten Seite – auf Strassen, die von "okay" bis miserabel reichen. Doch der Staub und das Rütteln stören uns nicht; wir geniessen sie in vollen Zügen. Nach der anstrengenden Durchquerung Chinas fühlen wir uns befreit – Freiheit pur! Es ist wieder genauso, wie wir es lieben: exotische Natur, bescheidene Holzhütten am Strassenrand, nackte Kinder, die in Pfützen spielen, und fröhliche Gesichter, die einem Ball hinterherjagen. Das Leben sprudelt, Strassenverkäufer bieten ihre Ernte an, und überall liegt der verlockende Duft von Streetfood in der Luft. Bunte, lebendige Märkte laden zum Verweilen ein, und wer möchte, könnte hier sogar gegrillte Schildkröten, Frösche oder blaue Shrimps kaufen. Wir jedoch begnügen uns mit einer Auswahl an vegetarischen Köstlichkeiten.

Wildwasserfahrt und Schiffbruch

Am zweiten Tag erreichen wir das charmante Touristenörtchen Nang Khiaw. Die Fahrt hierher war eine der beeindruckendsten, die wir je erlebt haben. Zurzeit sind nur wenige Besucher hier, da die Regenzeit viele abschreckt. Doch wir haben Glück: Seit unserer Ankunft in Laos geniessen wir herrliches, regenfreies Wetter. Wir sind überwältigt von der atemberaubenden Schönheit der Natur, doch unsere Begeisterung wird von den weitreichenden Rodungen gedämpft. Jährlich verliert Laos etwa 3'000 Quadratkilometer Wald – eine Fläche, die etwa dem Kanton Tessin entspricht.

 

Heute Morgen sind wir früh aufgebrochen, um den Aussichtspunkt zu erklimmen und die dichte, grüne Blätterwand zu bewundern. Zurück in unserer Unterkunft brunchen wir ausgiebig und beschliessen dann, eine Bootstour mit unserem Schlauchboot zu unternehmen. Flussaufwärts kämpfen wir uns durch zahlreiche Stromschnellen. Unser Elektromotor stösst dabei an seine Grenzen: Mit voller Leistung erreichen wir etwa 12 km/h, während die Strömung an manchen Stellen gefühlt mit 11 km/h fliesst. Durch geschicktes Zickzack-Fahren kommen wir langsam, aber stetig voran.

 

Nach etwa zwei Stunden erreichen wir das rund 10 Kilometer entfernte Dörfchen Sop Vanh – unser Ausgangspunkt für eine kleine «Wanderung». Der Weg ist matschig, und ich bleibe mit meinen Flip-Flops immer wieder stecken, sodass ich sie schliesslich ausziehe und barfuss weiterlaufe. Der Pfad zum Wasserfall, unserem Ziel, führt durch Reisfelder, in denen die Bauern fleissig pflügen und die Setzlinge von Hand in den Schlamm setzen. Die bescheidenen Häuser warten noch auf einen Stromanschluss. Was für uns wie pure Idylle wirkt, ist für die Bewohner harte Arbeit – und sie würden sicher gerne von moderner Technik und Elektrizität profitieren.

 

Am Wasserfall angekommen, befreien wir uns von Blutegeln an den Füssen und Kleidern und tauchen ins kühle, klare Wasser ein. Eine wahre Wohltat bei diesen hohen Temperaturen und der drückenden Luftfeuchtigkeit! Wir planschen ausgiebig, bis uns schliesslich kalt wird, und machen uns auf den Rückweg. Dani läuft inzwischen mit einem Schuh in der Hand und dem anderen am Fuss, denn bei einem seiner Schuhe hat sich die Sohle gelöst – Billigware aus Nepal beziehungsweise China eben.

 

Zurück geht es nun 10 Kilometer flussabwärts Richtung Unimog. Dabei stellen wir fest, dass unser Schlauchboot offenbar ein Leck hat. Auf einer Seite verlieren wir Luft. Wir schätzen die Lage als unkritisch ein und fahren weiter durch die Stromschnellen. Jetzt geht es spürbar schneller voran. Doch kurz vor unserem Ziel gibt es einen lauten Knall – wir haben etwas im Unterwasser touchiert. In der trüben Brühe können wir nichts erkennen. Dani kippt den Motor und begutachtet den Schaden: Wo ist der Propeller? Er ist abgebrochen, ebenso wie die Finne – Mist!

 

Nun heisst es paddeln, bis wir den nächsten Landesteg erreichen. Ein Fischer in der Nähe sieht unsere missliche Lage und bietet uns gegen ein kleines Entgelt an, uns zurück nach Nang Khiaw zu schleppen. Natürlich sind wir etwas verärgert, aber besser, den Propeller zu verlieren als das Boot aufzuschlitzen und schwimmend ans Ufer zu müssen. Dann wären auch all die Fotos, die noch auf Bearbeitung in der Kamera warten, verloren gewesen. Zum Glück haben wir einen Ersatzpropeller dabei, sodass das Boot nach dem Flicken des Lecks wieder einsatzbereit ist.

 

Den Abend geniessen wir draussen und feiern unser vierjähriges Reisejubiläum – zwar etwas verspätet, aber es passt einfach perfekt.


Arbeit und Pendenzen

Der französische Einfluss ist hier noch deutlich spürbar: Überall in den Cafés gibt es Croissants und Baguettes, und auch französische Weine und Würste sind erhältlich – das lässt Danis Herz höherschlagen. Ich hingegen würde ein knuspriges Baumnuss- oder Feigenbrötchen bevorzugen.

 

 

 

Den heutigen regnerischen Tag nutzen wir, um ein paar administrative Dinge zu erledigen, das Schlauchboot zu flicken und die Weiterreise zu planen. Mittlerweile gibt es eine lange Liste von Reparaturen und Wartungsarbeiten, die wir angehen sollten: Schuhe neu verkleben, klemmende Fenster wieder gangbar machen, die Dachluke abdichten, Ersatzteile bestellen, Bremsen entquietschen sowie Keilriemen und Getriebeöl wechseln. Solche Dinge belasten mich eigentlich nicht mehr – das ist irgendwie Danis Thema, und er wird’s schon richten, irgendwo, irgendwann, irgendwie.

 


Luang Prabang ist ein Muss

Luang Prabang, eine Stadt voller Charme, liegt im Norden von Laos, eingebettet in sanfte Hügel und bewohnt von rund 467’000 Menschen. Sie erstreckt sich auf einer Halbinsel, die vom mächtigen Mekong und dem Nam-Khan-Fluss umschlossen wird. Der Legende nach lächelte Buddha einst während einer seiner Reisen an diesem Ort und prophezeite, dass hier eine reiche und mächtige Stadt entstehen würde. Tatsächlich entwickelte sich Luang Prabang zum buddhistischen Zentrum der Region. Mit der Gründung des französischen Protektorats im Jahr 1883, einer Zeit politischer Unruhen, wurde die Stadt zur königlichen und religiösen Hauptstadt erhoben. 1946 verlor sie diesen Status an Vientiane, das seither die administrative Hauptstadt ist. Heute steht Luang Prabang unter dem Schutz der UNESCO.

 

 

Unser Tag beginnt mit einem Besuch in einer Werkstatt – wie so oft auf dieser Reise. Es gibt wohl kaum ein Land, in dem wir noch nicht in einer Garage waren. Diesmal bemerken wir vorne rechts ein Spiel am Rad, das bei Autobahnfahrten spürbare Vibrationen verursacht. Zuerst vermuten wir ein defektes Radlager als Ursache. Doch nachdem das Vorgelege-Getriebe zerlegt wurde, stellt sich heraus, dass alle Lager in einwandfreiem Zustand sind. Leider finden weder Dani noch der sympathische Mechaniker eine eindeutige Ursache. Vermutlich liegt das Problem an der Lenkung. Also heisst es für uns: Weiterfahren mit den Vibrationen – bis wir in Bangkok hoffentlich eine geeignete Mercedes-Lkw-Werkstatt finden. Vorausgesetzt, wir schaffen es überhaupt, eine Lösung für die Einreise nach Thailand zu finden.

 

 

Die Stadt beeindruckt mit ihrer tief verwurzelten Tradition: Schon im Morgengrauen sammeln Mönche Almosen von den Bewohnern. In Laos wie auch in Thailand ist es üblich, dass Mönche morgens mit Schalen durch die Strassen ziehen, um Almosen in Form von Essen zu erhalten. Diese jahrhundertealte Tradition verbindet die Mönche mit der Gemeinschaft: Während die Mönche auf die Spenden für ihre Ernährung angewiesen sind, sammeln die Gläubigen durch das Geben Verdienste, die ihr spirituelles Wachstum fördern. Es ist ein Ausdruck von Demut und Grosszügigkeit, der die Verbundenheit zwischen der Bevölkerung und Mönchen stärkt. 

 

 

Unser Stellplatz könnte kaum besser sein – direkt in einer Tempelanlage, umgeben von einem idyllischen Park. Die beiden Mönche, die hier mit ihren 17 Novizen leben, haben uns freundlicherweise erlaubt, bei ihnen zu stehen. Was für ein Privileg! Morgen früh werde ich mich also um 5:20 Uhr aus dem Bett quälen, um den Mönchen Lebensmittel in ihre Essensschüsseln zu legen. Uns gefällt es hier wirklich ausserordentlich gut. Hübsche Cafés und zahlreiche lokale Produkte – von Silberschmuck bis hin zu Kaffee, Tee und allerlei Snacks – laden zum Verweilen ein. 

 

 

Wir erklimmen die Stufen zum Phousi Hill und besichtigen die majestätische Stupa. Am Abend gönnen wir uns noch einen Espresso und ein Bingsu – ein koreanisches Schneeeis, das herrlich erfrischend ist.


«Fütterung» der Mönche

Heute ziehen wir mit einem Regenschirm, den wir als Sonnenschutz zweckentfremden, um die Halbinsel. Entlang des Mekong säumen wunderschöne, gepflegte Kolonialhäuser unseren Weg. Unterwegs geniessen wir noch ein Croissant und schaffen es kurz vor dem einsetzenden Regen rechtzeitig nach Hause. Schnell die Wäsche hereinholen, denn bei der hohen Luftfeuchtigkeit trocknet sie nur schwer. Jeder Sonnenstrahl muss genutzt werden, um Bettwäsche und feuchte Kleidungsstücke draussen zu lüften. Heute hat es geklappt.

 

Diesen Morgen habe ich es wirklich geschafft, den Mönchen und Novizen von unserem Tempel etwas in ihre Essensschalen zu legen. Da ich ohnehin schon früh unterwegs bin, nutze ich die frische Morgenluft für eine Joggingrunde. Dabei beobachte ich, wie hunderte in Orange gekleidete Mönche in einer langen Reihe gehen und von den Gläubigen ihr Essen entgegennehmen. Aus Respekt habe ich auf Fotos verzichtet – es ist schliesslich kein Menschenzoo. Unser Sohn Luca, der einige Wochen als Novize in einem thailändischen Kloster verbracht hat, schickt mir dreimal «Sadhu». Dieses Wort stammt aus dem Pali und bedeutet «gut gemacht, sehr gut oder exzellent». Ein kleiner Beitrag zum guten Karma.

 

Bevor wir weiterfahren, kaufen wir in der Zurich Bäckerei noch einige Vollkornbrote für unser Frühstück, das derzeit immer auch Avocados beinhaltet. Warum die Bäckerei «Zurich» heisst, konnten wir leider nicht herausfinden – die Angestellten zuckten auf unsere Frage nur mit den Schultern.


Bad im Naturpool mit Grimassen

Unsere Weiterfahrt führt uns über besonders schlechte Strassen zum Kung-Si-Wasserfall. Im dichten tropischen Wald wandern wir bis zum Ursprung des Wasserfalls hinauf und geniessen die atemberaubende Aussicht. Es ist einer der beeindruckendsten Wasserfälle, die wir je gesehen haben, und wir sind dankbar, dass wir den Weg hierher auf uns genommen haben. Verschwitzt vom Aufstieg, erfrischen wir uns immer wieder in den kühlen Pools, die sich in verschiedenen Stufen gebildet haben. Es ist wunderbar, dass das Baden hier erlaubt ist – ganz ohne Aufsicht, Schwimmwesten oder andere Vorschriften. Wir und die anderen Besucher können frei und unbeschwert herumplanschen.

 

 

Mit einem Schmunzeln beobachten wir die Influencer, die sich für ihre „perfekten“ Fotos in Szene setzen. Wir machen es ihnen nach, doch ich finde es schwer, nett zu posieren und „schön“ auszusehen. So endet es oft in einer Grimassenschlacht.

 

 

Direkt neben dem Wasserfall befindet sich eine Bärenauffangstation, betrieben von der NGO „Free the Bears“. Das Projekt setzt sich für den Schutz von Malaien- und Mondbären ein, die von Wilderern bedroht werden, und bietet ihnen ein sicheres Zuhause.

 

 

Leider hören wir mitten im Dschungel kein Vogelgezwitscher. Kaum Vögel sind zu sehen, was uns nachdenklich stimmt. Woran liegt das? Einerseits wird ihr Lebensraum durch massive Abholzung immer kleiner, andererseits gehören Vögel bei den Laoten auf den Teller. Sie reihen sich damit in eine lange Liste exotischer Tiere ein, die hier als Delikatesse gelten. Wilderei ist weit verbreitet und wird vom Staat kaum oder gar nicht bekämpft.

 

 

Wie so oft in Laos, finden wir nach kurzer Suche einen ruhigen Stellplatz am Mekong für die Nacht. Am nächsten Morgen entscheiden wir uns, dem Fluss auf unbefestigten Nebenstrassen zu folgen. Eine hervorragende Wahl, wie sich herausstellt. Wir fahren durch abgelegene Dörfer, in denen das Leben auf der Strasse stattfindet. Wir sehen Korbflechter, Holzschnitzer und Bauern bei ihrer Arbeit. Auffällig viele Kinder helfen dabei – fest eingebunden in den Alltag ihrer Eltern. Wir fragen uns, ob es in dieser Gegend überhaupt Schulen gibt.

 

Die Strasse wird zunehmend schmaler, doch Dani schafft es immer wieder, den Weg freizuschneiden. Jetzt geht es über einen Pass in Richtung Vang Vieng. Oben angekommen, stossen wir jedoch auf eine Höhenbeschränkung. Der Kontrollposten bleibt hartnäckig und öffnet die Schranke nicht für uns. Auch hier gibt es also Regeln, die durchgesetzt werden. Wir müssen umkehren und einen Umweg von rund 250 Kilometern in Kauf nehmen. Der Weg das Ziel!


Wir haben die Machete vergessen!

Schliesslich verbringen wir doch einige Nächte in der Nähe von Vang Vieng, einem touristischen Städtchen, von dem wir allerdings wenig mitbekommen. Unser Stellplatz liegt abgeschieden in exotischer Umgebung direkt am Fluss, wo wir die Stille geniessen. Wir zwängen den Unimog über den dichten Dschungelweg hinunter zum Ufer.

 

Kurz darauf brechen wir zu einer schlammigen Wanderung auf, die Dani auf der Karte zu einem Wasserfall entdeckt hat. Doch die eingezeichnete Brücke über den Fluss gibt es offensichtlich nicht mehr. Auf der anderen Seite des Ufers ist ein kleines Boot festgemacht. Wir winken dem Bootsmann zu, um zu signalisieren, dass wir hinüberwollen. Er versteht sofort und setzt zu uns über. Offenbar ist dies ein offizieller „Taxiservice“, denn er verlangt 20 Baht pro Person für Hin- und Rückfahrt. Deal!

 

Wie so oft auf unseren spontanen Wanderungen wird der Pfad immer schmaler und schwieriger. Im Nachhinein hätten wir die Machete mitnehmen sollen. Das Rauschen des Wasserfalls wird lauter, aber der Weg immer unwegsamer. Sind wir überhaupt noch auf einem Pfad oder bahnen wir uns einfach nur noch den Weg durch den Dschungel? Aus Sicherheitsbedenken – Respekt vor giftigen Schlangen und der möglichen Gefahr von Minen – brechen wir ab und verzichten auf das erfrischende Bad im Wasserfall. Etwas weiter unten entdecken wir einen Zugang zu einem kleinen, glasklaren Bach, in dem wir uns schliesslich doch noch abkühlen können.

 

Die ständige hohe Luftfeuchtigkeit und die konstanten 30 Grad machen uns erstaunlich wenig aus. Was mich allerdings nervt, sind die lästigen Mücken, die mich einfach nicht in Ruhe lassen. Egal zu welcher Tageszeit – sie gönnen mir keine Pause und scheinen mich besonders zu mögen. Kein Mittel hilft wirklich, ich werde dennoch gestochen. Hat jemand den ultimativen Tipp? Mein Parfüm (welches ich eh nie benutze) heisst „Antibrumm“ oder ein anderes aggressives Zeug aus den örtlichen Läden. Aber so ist es eben – am Ende klage ich auf hohem Niveau.

 

Von der Strasse aus entdecken wir einen Markt zwischen den Häusern. Kurz stoppen und für die nächsten Tage einkaufen: frische Pilze, die geschmacklich an Steinpilze erinnern, junge Bambussprossen mit einem leicht säuerlichen, aber unglaublich leckeren Aroma, und handgemachte Nudeln. Nachdem wir unsere Wasser- und Dieseltanks aufgefüllt haben, geht es weiter zum Nam-Ngum-Stausee.

 

Die Nam-Ngum-Talsperre ist die erste und grösste ihrer Art in Laos. Die Staumauer dient hauptsächlich der Energieerzeugung, wobei der Grossteil des Stroms nach Thailand exportiert wird. Zusätzlich hilft sie bei der Flutkontrolle und Bewässerung und ist ein beliebtes Ausflugsziel. Wir finden ein idyllisches Plätzchen am Ufer, umgeben von spielenden Kindern und fleissigen Fischern. Auf dem Wasser herrscht reger Betrieb: Die Fischer, deren Haupteinnahmequelle die Fischerei ist, steuern ihre Holzboote, sogenannte Longtail-Boote, die mit einem Motor ausgestattet sind, der wie ein überdimensionaler, lauter Stabmixer aussieht. In der Nacht erhellt ein heftiges Gewitter den Himmel über uns, aber irgendwann finden wir doch in den Schlaf – und am Morgen begrüsst uns wieder strahlender Sonnenschein.


Administration und Geburtstagsparty

Am Nachmittag fahren wir über die teure Autobahn in die Hauptstadt Vientiane. Unser Ziel ist es, sowohl unsere Visa als auch das TIP (Temporary Import Permit) für den Unimog zu verlängern. Für die Visa-Verlängerung wird uns der Pass für 24 Stunden abgenommen und erhalten eine Kopie als Bestätigung. Für die Verlängerung des TIP führt unser Weg jedoch an die thailändische Grenze – das scheint die einzige Möglichkeit zu sein. Die zehn Kilometer dorthin fahren wir entspannt und stehen plötzlich so nah wie nie zuvor an Thailand. Doch die Zeit ist für uns noch nicht reif, wir haben in den nächsten Wochen andere Pläne.

 

Der Beamte, der für die Bearbeitung der Formulare zuständig ist, ist gerade nicht vor Ort. Also machen wir es uns abseits gemütlich und geniessen einen üppigen Brunch. Dani feiert heute Geburtstag, und hier in der Hauptstadt gibt es köstliche Spezialitäten aus Frankreich und Italien. Eigentlich meiden wir Grossstädte, doch sobald wir eine betreten, verfallen wir regelmässig einem Kaufrausch von Lebensmitteln. Ein Pariser Brot hier, ein Croissant und eine Brioche dort. An der nächsten Ecke finden wir geräucherte Wurst und Käse. Risotto-Reis (endlich kein Basmati, die Freude ist gross), Wein und dunkle Schokolade – alles wandert in unsere Vorratsbox.

 

All diese Leckereien gibt es allerdings zu stattlichen Preisen. Auch der Zigarrenvorrat ist wieder aufgefüllt – schliesslich ist Danis Geburtstag. Klar, dass wir am Abend fein essen gehen, beim Italiener natürlich. Ein Apero zur Einstimmung, ein Glas Wein und eine Zigarre dürfen nicht fehlen. Der Rückweg führt uns im Galopp durch überflutete Strassen und heftigen Regen. Immer wenn Dani sich einen Cognac und eine Zigarre gönnt, weiss ich, dass er vollkommen entspannt ist und es ihm prächtig geht.

 

Heute haben wir vor einem Tempel übernachtet und begeben uns nun auf die Suche nach neuen Schuhen für Dani. Seine bisherigen Schuhe haben sich in der Feuchtigkeit buchstäblich aufgelöst. Seine Original-Wasserschuhe wurden ihm ja in Indien gestohlen, und die beiden Ersatzpaare aus Nepal, wahrscheinlich aus China, sind von miserabler Qualität. Vier Jahre lang haben wir uns gegen den Kauf von «Crocs» gewehrt. Heute ist Dani schwach geworden – und so stehen die unansehnlichen, aber praktischen Gummischlappen nun in Schwarz vor unserer Haustür. Vernunft und Funktionalität haben über die Ästhetik gesiegt.

 

Vientiane, die Hauptstadt, ist Heimat von etwa 350'000 Menschen, doch im Ballungsraum leben mehr als 600'000. Die Stadt ist das wirtschaftliche, politische und kulturelle Zentrum von Laos. Überall reihen sich Tempel aneinander, und es gibt unzählige Restaurants und charmante Bistros. Massagesalons – offenbar wahlweise mit oder ohne „Happy End“ 😊 – gibt es in erstaunlicher Fülle, und wir fragen uns, wie sie alle überleben. Uns gefällt es sehr in Vientiane, und wir geniessen den Luxus, den eine Grossstadt zu bieten hat.

 

Mittlerweile haben wir unsere Pässe samt der Verlängerung zurückerhalten. Die Verlängerung des TIP an der Grenze konnten wir allerdings noch nicht umsetzen. Doch wir fahren immer wieder in Grenznähe und werden die Formalitäten ein anderes Mal erledigen.


Mit dem Boot 7.5km durch den Berg

Wir befinden uns aktuell auf dem «Thakhek Loop», einer Rundfahrt durch Zentral-Laos, die uns an einigen spektakulären Höhepunkten vorbeiführt. Ein absolutes Muss auf unserer Route ist der Abstecher zur Kong Lor Höhle. Diese beeindruckende Höhle, wie viele andere in dieser Region, hat sich über Jahrtausende in die charakteristischen Kalksteinhügel gegraben. Besonders beeindruckend ist der Nam Hin Fluss, der sich über eine Länge von 7,5 Kilometern durch ein Bergmassiv windet – ein wirklich spektakuläres Naturwunder.

 

Unsere Entdeckungsreise beginnt in den Händen eines lokalen Guides. Zu unserer Überraschung sind wir die einzigen Gäste, die an diesem Tag das geologische Meisterwerk erkunden möchten. Am Eingang der Höhle liegen überall verstreut Schiffsmotoren. Unser Guide sucht seinen Motor, befestigt ihn an einem Longtail-Boot, und drückt uns Stirnlampen sowie Schwimmwesten in die Hand. Ausgerüstet für das Abenteuer, fahren wir gegen den Strom in die dunklen Gänge der Höhle hinein – und schon bald habe ich jegliche Orientierung verloren. Es fühlt sich an, als würden wir durch einen riesigen, dunklen Darm gleiten – kurvig, feucht und leicht muffig.

 

Nach einer Weile steigen wir aus dem Boot und begeben uns zu Fuss tiefer in die bizarre Landschaft aus Stalaktiten und Stalagmiten. Vor uns öffnet sich eine gigantische Halle. Unsere Lampen erhellen kaum die Decke, die sich in schwindelerregenden 100 Metern Höhe über uns erstreckt. Auch die Breite der Halle ist beeindruckend, was uns noch kleiner erscheinen lässt. Schweigend und ehrfürchtig schreiten wir durch die sandigen Pfade, umgeben von den erleuchteten Steinformationen, die an einigen Stellen dank grosser Scheinwerfer in ihrer vollen Pracht sichtbar sind. Die einzigen Geräusche, die unsere Sinne wahrnehmen, sind die leisen Rufe der Fledermäuse.

 

Zurück im Boot setzen wir unsere Fahrt durch die Dunkelheit fort, bis wir den nächsten Zwischenstopp erreichen. Von hier aus führt uns ein weiterer Fussweg durch fantasievolle Kalkablagerungen, die uns genug Raum lassen, unsere eigenen Interpretationen in die faszinierenden Formen zu projizieren. Anschliessend fahren wir weiter bis zum anderen Ende der Höhle, wo der Fluss im Berg verschwindet. An einer kleinen Raststation halten wir kurz inne, bevor wir mit der Strömung gemütlich zurück zu unserem Ausgangspunkt gleiten.


Kalte Pools

Zurück auf dem Parkplatz werden wir von einer laotischen Familie mit frisch geernteten Pilzen beschenkt, die wir am Abend mutig probieren. Sie hätten ja giftig sein können... aber am nächsten Morgen blicken wir putzmunter aus unseren Pfulmen.

 

Die Reise führt uns weiter zum «Cool Pool». Der türkisfarbene Naturpool ist wirklich eine Augenweide und eine willkommene Abkühlung. Da es gerade in Strömen regnet, haben wir den Ort ganz für uns und treiben gemächlich zwischen den im Wasser stehenden Bäumen umher. Nach dem Frühstück klart der Himmel, wie so oft, auf, und wir geniessen das herrlich heisse Badewetter. 

 

Endlich können wir unsere feuchten Kleider, Kissen und Matratzen gründlich in der Sonne auslüften und trocknen lassen. Wir beschliessen, sollte das Wetter morgen weiterhin so schön bleiben, einen entspannten Badetag einzulegen. Gesagt, getan: Am nächsten Tag plantschen wir, umgeben von vielen fröhlich schreienden Kindern, im kostenlosen Becken und lassen es uns wie immer gut gehen.

 

 

Einen Fotostopp legen wir bei den in Sandstein gemeisselten Buddha-Skulpturen ein. Diese stehen malerisch an einem Stausee, wo halb versunkene Bäume eine faszinierend skurrile Kulisse für Fotos bieten.


Savannaketh

In Savannakhet, der zweitgrössten Stadt am Mekong, fühlen wir uns sofort wohl. Die Atmosphäre ist ruhig und entspannt, doch es gibt hier nichts wirklich Erwähnenswertes zu sehen. Auf der anderen Seite des trüben Flusses weht die thailändische Flagge, und in den Hügeln thronen Buddha-Statuen – sie müssen jedoch noch auf uns warten. Unser Aufenthalt hier hat einen ganz praktischen Grund: Wir möchten den TIP (Temporary Import Permit) für unseren Unimog verlängern. Da Dani im Fahrzeugausweis eingetragen ist, übernimmt er den Part an der Grenze.

 

Etwa 30 Minuten später steht er vor dem Unimog und signalisiert mit einem gesenkten Daumen: Die zuständige Person sei zurzeit nicht auffindbar. Doch kaum hat er die Hand gesenkt, erscheint ein Motorradfahrer und bietet Dani an, ihn mitzunehmen – offenbar zu einem anderen Büro, wo der Beamte sich aufhält. Nach rund 15 Minuten erhalte ich eine Nachricht von Dani: „Es dauert, hier herrscht wohl Chaos.“ Doch lange dauert es dann doch nicht, und Dani kehrt, auf dem Rücksitz des Motorrads sitzend, zu mir zurück. Diesmal kommt ein Daumenhoch. 

 

Doch die Freude hält nur kurz an, als der Motorradfahrer fast 30 Euro für den TIP verlangt – beim letzten Mal hatten wir nur etwa 4 Euro bezahlt. Was läuft da für ein faules Spiel? Dani bleibt erstaunlich gelassen und sagt: „Wir zahlen das gerne, gegen eine Quittung.“ Natürlich gibt es diese nicht. Der Beamte bleibt jedoch hartnäckig, und Dani macht klar, dass wir nicht bereit sind, ohne Quittung zu zahlen. Währenddessen stehe ich daneben und „telefoniere“ demonstrativ mit der Schweizer Botschaft. Was auch immer letztlich den Ausschlag gegeben hat, wir zahlen schliesslich wieder die üblichen 95.000 Kip – etwa 4 Euro – und die Angelegenheit ist erledigt.

 

Solche Versuche, „Langnasen“ übers Ohr zu hauen, kennen wir bereits, und in Laos sind wir besonders wachsam. Wir hätten dem Motorradfahrer gerne ein Trinkgeld für die Taxifahrt gegeben, so gibt es am Ende allerdings gar nichts. Schon jetzt ahne ich, dass die Ausreise nach Kambodscha zum Eiertanz werden könnte. Mal sehen, oft kommt es anders.

 

Da ich mich gut über die notwendigen Formulare für den Grenzübertritt nach Kambodscha informiert habe, sehe ich dem Bakschisch-Kampf gelassen entgegen. (Bakschisch, ein persisches Wort, bedeutet übersetzt „Gabe“ oder „Geschenk“ und ist eine weit verbreitete Praxis, bei der Touristen Einheimischen Geld zustecken.) Würde niemand diesen Betrag zahlen, hätte das „Hand aufhalten“ wohl bald ein Ende. Warum nicht einfach geduldig warten und diese Praxis nicht weiter unterstützen?

 

Heute versuchte ein deutsches Mitglied unserer China-Reisegruppe mit seinem Camper nach Thailand einzureisen – vergebens. Auch sein zweiter Versuch an einem anderen Grenzübergang scheiterte. Das wird schwierig mit Thailand!


Pakse

In Pakse, wo wir mittlerweile angekommen sind, liegt eine bedrückte Stimmung über uns. Es ist gerade einfach nur anstrengend, nervenaufreibend und unglaublich mühsam. Ihr fragt euch sicher, warum das so ist.

 

Es scheint wirklich keinen Weg zu geben, mit unserem Camper nach Thailand einzureisen. Aktuell lassen sie keine ausländischen Camper ins Land. Wir suchen fieberhaft nach Optionen, aber bislang ohne Erfolg. Seit 2019 sind ausländische Wohnmobile in Thailand verboten. Der Grund dafür, so wurde uns erklärt, ist die Flut chinesischer Camper, die jedes Jahr die Strände überflutet haben. Auf Druck der Hotellobby zog die Regierung die Reissleine. Ob das wirklich stimmt, wissen wir nicht genau.

 

Und wie es so oft ist: Ein Unglück kommt selten allein. Heute, beim Öffnen der Haupttür unserer Box, stellt sich heraus, dass der neue Schliesszylinder, den wir erst vor vier Monaten aus der Schweiz (hergestellt in Deutschland) mitgebracht haben, schon wieder defekt ist. Es ist wirklich enttäuschend, wie schlecht die Qualität mittlerweile geworden ist, sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz.

 

Beim Schliessen hatte Dani den Zylinder am Schlüssel, aber nicht im Schloss. Nun können wir die Tür nicht mehr öffnen. Eigentlich wollten wir heute weiterfahren, aber wir brauchen einen asphaltierten Untergrund, um das Problem zu beheben. Im Morast der Regenzeit ist es für Dani unmöglich, irgendetwas auseinanderzuschrauben. Also zurück auf unseren alten Stellplatz.

 

Dani leert die Aussenbox und schraubt alle Halterungen ab. So kann er von innen die Verbindungstür zur Box öffnen. Ich krieche wie ein Wurm durch die schmale Öffnung. Zum Glück lässt sich die Tür von innen öffnen. Nachdem wir das Schloss entfernt haben, fällt alles auseinander, und nun können wir die Box gar nicht mehr verriegeln. Als Ersatz dient der Schliesszylinder einer Seitentür. Damit können wir die Haustür von aussen schliessen – aber nicht von innen. Das bedeutet, dass wir nachts nicht mehr abschliessen können. Zur Sicherheit ziehen wir nachts die Treppe ein, sodass niemand unbemerkt in die Box eindringen kann. Bei der Aussentür, nun ohne Schloss, entfernen wir den Griff, damit sie nur mit Mühe geöffnet werden kann. 

 

Wie ihr seht, Reisen kann manchmal wirklich zäh sein und bringt oft viel Arbeit mit sich. Gerade bin ich etwas entmutigt – aber das geht sicher bald wieder vorbei.

 

Eine Lösung für die Einreise nach Thailand haben wir noch nicht gefunden, aber wir geben nicht auf und versuchen, uns nicht herunterziehen zu lassen. Es gibt Dinge, die einfach ausserhalb unserer Kontrolle liegen, und wir sind auf das Verständnis der Behörden angewiesen. Wir können nur erahnen, wie sich Flüchtlinge fühlen müssen, die verzweifelt nach einem Ausweg suchen.


Bolaven-Plateau bei den Urvölkern

Das Bolaven-Plateau im Süden von Laos ist bekannt für seine fruchtbaren, atemberaubenden Landschaften, ethnischen Dörfer und traditionellen Kaffeeplantagen. Hier finden sich einige der spektakulärsten Wasserfälle Südostasiens. Mit einer Höhe von 1.000 bis 1.350 Metern über dem Meeresspiegel ist das Klima auf dem Plateau milder als in vielen anderen Regionen.

 

Die ethnische Vielfalt dieser Gegend ist beeindruckend: Laven, Katou, Kaleun, Nge, Alak und Souy leben hier weiterhin traditionell in kleinen Gemeinden, die über das gesamte Plateau verteilt sind. „Bolaven“ bedeutet übersetzt „Land der Laven“, die auf dem Plateau am zahlreichsten vertreten sind. Bei einem Besuch einer Katou-Siedlung erleben wir eine spannende Führung, die uns viel über Heilpflanzen, Kaffeeanbau und die lokalen Traditionen vermittelt.

 

Hier rauchen Männer, Frauen und sogar Kinder Wasserpfeifen. Tatsächlich sehen wir Kinder, die noch keine zehn Jahre alt sind und bereits kräftig am Bambusrohr ziehen. Die Bambuspfeifen sind mit Tabak und Zucker gefüllt. Die Kohle erhitzt das Wasser, und der ungesunde Wasserdampf wird den ganzen Tag über inhaliert. Angeblich soll das Nikotin im Blut vor Mückenstichen schützen. Vielleicht sollte ich auch anfangen zu rauchen – ich werde trotz aller Schutzmassnahmen immer verstochen.

 

Unser Guide spricht gut verständliches Englisch, und wir lernen sogar, Pfeile aus Pflanzen zu schnitzen und treffen damit erstaunlich präzise die Blätter. Früher wurden die Spitzen mit Gift bestrichen, um bei der Jagd oder zur Verteidigung eingesetzt zu werden. Wir lassen Seifenblasen aus Pflanzensaft in die Luft steigen und berühren die empfindlichen Blüten der Mimose. Wie wir wissen, hat der Begriff „du bist aber auch eine Mimose“ hier seinen Ursprung – die Pflanze reagiert bei der kleinsten Berührung, indem sie ihre Blätter schliesst.

 

Ein weiteres spannendes Thema ist der Schamanismus, bei dem der Schamane als Vermittler zwischen den Göttern und den Menschen agiert. Die Ältesten des Stammes glauben fest daran, dass die Erde eine Scheibe ist – ich bin jetzt auch ein wenig verunsichert. Der Schamanismus fasziniert mich sehr, und ich möchte in Zukunft mehr darüber lernen.

 

Polygamie ist bei den Katou erlaubt, aber nur Männer mit ausreichend Geld können sich mehrere Frauen leisten. Früher schenkte der Bräutigam der Familie der Braut Schweine, Ziegen oder Wasserbüffel. Heute sind es Motorräder, Fernseher und Smartphones. Unser Guide, der bereits 40 Jahre alt ist, träumt von einer zweiten Ehe mit einer Minderjährigen – doch glücklicherweise fehlt ihm dafür das nötige Geld.

 

Es kommt auch vor, dass bereits fünfjährige Kinder verheiratet werden, da die Braut in diesem Alter günstiger ist. Sie wächst dann bei den Schwiegereltern auf, die für ihre Versorgung aufkommen. Für uns ist das alles sehr befremdlich, aber auch faszinierend – eine vollkommen andere Welt hier bei den Katou. Schwangere Frauen verlassen zur Geburt das Dorf und gebären alleine unter einem Zelt im Dschungel. Erst nach einer Woche kehren sie zurück, und die rituellen Feierlichkeiten beginnen. Der Kalender der Katou besteht aus nur acht „Monaten“, die nach den jeweiligen Erntezeiten benannt sind, wie Kaffee-, Reis- oder Avocado-Monat.

 

Ich könnte noch so viel mehr erzählen, aber ich frage mich, wer das alles lesen möchte.


Bolaven-Plateau seine Früchte und Vergangenheit

Wir haben Glück – es ist aktuell Avocado-Monat, und an jeder Ecke gibt es die grüne Frucht zu kaufen. Die fettreiche Beere stammt aus der Familie der Lorbeergewächse und hat im Laufe der Geschichte viele Namen getragen, wie Avocadobirne, Alligatorbirne oder Butterfrucht. In allen erdenklichen Grössen, Formen und Reifegraden wird sie angeboten und ist momentan eines unserer Hauptnahrungsmittel. Die Avocado ist reich an Nährstoffen wie Vitamin K, Folsäure, Vitamin C, Vitamin B5 und B6. Zudem enthält sie viele ungesättigte Fettsäuren und Ballaststoffe, bei einem geringen Anteil an Kohlenhydraten. Was für eine gesunde Bereicherung unserer Ernährung!

 

Auch das Wetter zeigt sich von seiner freundlichen Seite. Die heftigen Regenschauer sind selten und von kurzer Dauer. Der Himmel warnt uns zuverlässig, wenn wir blitzschnell alles ins Trockene bringen müssen. Bei stabilem Wetter legen wir wie gewohnt unsere Betten, Kleiderboxen und Schuhe in die Sonne, um die hohe Luftfeuchtigkeit zu bekämpfen und Schimmel vorzubeugen.

 

Das Bolaven-Plateau verdankt seinen Namen der indigenen Volksgruppe der Laven, die hier ansässig ist. 1893 annektierten die Franzosen das Gebiet und legten Kaffeeplantagen an. Doch etwa 70 Jahre später, während des Vietnamkriegs, wurde das Plateau schwer getroffen und gehörte zu den am stärksten bombardierten Regionen, da es sowohl für die Amerikaner als auch für die Nordvietnamesen von strategischer Bedeutung war.

 

Anfang des 20. Jahrhunderts waren es die französischen Kolonialherren, die das fruchtbare Land für den Anbau von Bananenstauden und Kaffeepflanzen ausnutzten. Heute werden auf dem Plateau jährlich rund 20.000 Tonnen Kaffee produziert. Die Kaffeebohnen aus dieser Region sind bei Kaffeeliebhabern weltweit bekannt und geschätzt. Viele der Kaffeebauern sind in Genossenschaften wie der Coffee Growers Cooperative organisiert, die Kleinbauern dabei unterstützt, ihre Produkte unter dem Fair-Trade-Siegel zu vermarkten – eine gute Sache, wie wir finden.


Off-road zu den Wasserfällen

Uns gefällt es hier in den Höhen des Bolaven-Plateaus ausgesprochen gut, und wir erkunden das Gebiet soweit ins Innere, wie es nur geht. Dabei stossen wir auf ideales Unimog-Gelände, auf dem sich Dani nach Herzenslust austoben kann. Ich hingegen komme etwas mehr ins Schwitzen als sonst, und das liegt nicht nur daran, dass unsere Klimaanlage zurzeit nicht funktioniert. Das heftige Rütteln, Schwanken und Schütteln fordern stets seinen Tribut. Mächtige Wasserfälle rauschen mit einer beeindruckenden Wucht an uns vorbei.

 

Auf unserer Fahrt überqueren wir zahlreiche Holzbrücken, bei denen wir oft aussteigen müssen, um zu entscheiden, ob wir weiterfahren oder umkehren sollten. Die Brücken haben gehalten, doch jedes Mal flüstere ich still vor mich hin: „Gott gebe, dass es hebe.“

 

Einen dieser Wasserfälle, den wir unbedingt sehen möchten, erreichen wir nur mit dem Fahrrad. Mit unseren Klapprädern ist das eine echte Herausforderung. So schlittern wir durch den Morast, waten durch riesige braune Pfützen und kämpfen uns abwechselnd stossend und ziehend voran. Immer im Nacken spüren wir die Bremsen und die lästigen Mücken. Doch die Mühe zahlt sich aus: Vor uns erstreckt sich ein Wasserfall, wie wir ihn noch nie zuvor gesehen haben. Laos – das Land der Wasserfälle und der unberührten Natur.


Pakse zum 2.

Zurück in der Zivilisation entscheiden wir uns, mit der Fähre über den Mekong überzusetzen. Doch einmal mehr werden wir eines Besseren belehrt: Der Laote bevorzugt die Taube auf dem Dach gegenüber dem Spatzen in der Hand. Unglaubliche 30 USD sollen wir für die kurze Überfahrt zahlen wobei die lokale Bevölkerung einen Bruchteil bezahlt. Wir entscheiden uns stattdessen für den Umweg nach Pakse und richten uns auf unserem altbekannten Stellplatz auf dem Hügel beim Tempel Wat Phousalao ein.

 

Unsere Reise führt weiter dem Mekong entlang Richtung Süden. Wir finden einen traumhaften Stellplatz direkt am Flussufer. Hier dürfen wir die sanitären Anlagen eines Hotels nutzen, und auch unsere Wäsche wird gründlich gereinigt – eine Seltenheit, da die meisten Waschmaschinen hier nur mit kaltem Wasser arbeiten, was oft nicht wirklich effektiv ist. Im Hotelrestaurant lassen wir es uns gutgehen und geniessen das köstliche Essen. Doch auffällig ist, dass die eher wohlhabenden Laoten ihre Kinder zunehmend über das Handy beschäftigen. Es macht mich traurig zu sehen, wie wenig Zeit sich Eltern für ihren Nachwuchs nehmen, nur um ungestört zu bleiben. 

 

Kinder von Bauern scheinen da mehr Zuwendung zu erfahren. Schon allein die gemeinsame Fahrt auf dem Motorrad bedeutet viel Nähe, und auf engem Raum lebt die Familie zusammen. Oft sehen wir sie draussen sitzen, die Kinder auf dem Schoss. Sie begleiten ihre Eltern zur Arbeit, und ihre kleinen Hände werden schon früh mit eingebunden. Man fragt sich, welche Kinder am Ende wirklich gesegneter sind.

 

Im Mekong soll es Delfine geben – ein Traum, der zur Illusion oder gar zum Albtraum geworden ist, denn es gibt keine mehr. Wie sollen diese wunderbaren Tiere auch in einem so stark verschmutzten Fluss überleben? Überall wird Abfall und Giftstoffe hineingeleitet, und es sieht nicht danach aus, als ob sich das in naher Zukunft ändern wird. Eine nicht enden wollende, weltweite Tragödie!


Wat Phu (Bergtempel)

Unsere Fahrt Richtung Süden, entlang des Mekong, führt uns durch üppige, fruchtbare Landschaften. Wir passieren gepflegte Holzhäuser, vor denen sich die typischen kleinen Marktstände reihen. Die meisten Stände bieten Produkte aus den eigenen Gärten an – zu fairen Preisen. Wir decken uns mit Bambussprossen ein, die gekocht wirklich köstlich schmecken. Sehr fein, und ich glaube, sie sind auch ungedüngt – aber sicher bin ich mir nicht. Unser Ziel auf dieser Route ist der Tempelkomplex Wat Phu.

 

Wat Phu, auch bekannt als das "kleine Angkor Wat" von Laos, stammt aus dem 11. bis 13. Jahrhundert. Seit 2001 gehört diese beeindruckende Stätte zum UNESCO-Weltkulturerbe. Der Khmer-Tempel gilt als eine der bedeutendsten Kulturstätten in Laos und soll sogar als Vorlage für das berühmte Angkor Wat in Kambodscha gedient haben. Der grosse Vorteil hier: Es gibt kaum Besucher, und wir können die mystische, stille Atmosphäre in aller Ruhe geniessen. Wir schlendern durch die verschiedenen Ebenen und bewundern in den Felsen gemeisselte Schlangenköpfe, Elefanten und Krokodile, die wie für die Ewigkeit geschaffen sind.

Ach ja, inzwischen werden die an der Grenze wartenden Camper auf Tieflader verladen und durch Thailand transportiert. Diese Fahrt ist zwar unverschämt teuer, aber wenn es keine andere Lösung gibt, bleibt dies die einzige Möglichkeit. Ich halte euch auf dem Laufenden.


Einreise nach Thailand

Heute ist der Tag unserer Ausreise – unser laotisches Visum läuft ab. Wir versuchen unser Glück an der Grenze bei Pakse, denn es scheint, dass andere Overlander vor uns hier mit dem Carnet de Passage (CdP) erfolgreich eingereist sind. Wir kleiden uns angemessen – lange Hosen – und lesen im Internet nach, wie man sich korrekt gegenüber thailändischen Beamten verhält. Den Zeitpunkt legen wir bewusst auf den Freitagabend, da das Hauptbüro zu dieser Zeit nicht mehr erreichbar ist. Oft entziehen sich Beamte der Verantwortung, indem sie bei unklaren Situationen ihren Vorgesetzten anrufen. Wenn dieser aber nicht erreichbar ist, bleibt ihnen nichts anderes übrig, als selbst zu entscheiden. So erhoffen wir uns eine Chance, die Situation positiv zu beeinflussen.

 

Die Ausreise aus Laos verläuft problemlos, und 30 Minuten später stehen wir vor der thailändischen Grenzkontrolle. Wir erhalten unseren Einreisestempel und fahren mit dem Unimog zur Zollabfertigung auf der linken Strassenseite – in Thailand herrscht wieder Linksverkehr.

 

Wir bemerken, wie die Beamten miteinander tuscheln und ernste Gesichter machen als sie uns bemerken. Dani parkt das Fahrzeug direkt vor der Schranke, doch ein Beamter deutet uns an, zur Seite zu fahren. Wir haben alle Dokumente parat und übergeben sie einer uniformierten Beamtin mit kurzem Haarschnitt. Sie erklärt uns, dass wir mit einem Camper nicht einreisen dürfen. Wir überreichen ihr das CdP, woraufhin sie verschwindet. Nach 15 Minuten suchen wir sie im Zollgebäude, um zu fragen, ob sie Unterstützung oder weitere Unterlagen benötigt. Sie spricht mit einer Kollegin und versucht, vergeblich jemanden telefonisch zu erreichen.

 

Wir erklären ihr, dass unser Fahrzeug in unserer Heimat als „Van“ bezeichnet wird und kein typischer Camper ist. Im weiteren Gespräch erzählen wir von thailändischem Essen und dass unser Sohn Luca ein Jahr in Thailand verbracht hat, darunter sieben Wochen im Isan, wo er in einem Waldkloster als Mönch Novize war. Die persönliche Ebene zeigt Wirkung – die anfängliche Ablehnung wandelt sich plötzlich. Die Beamtin lächelt und sagt, sie werde uns die Einreise gestatten. Wir können unser Glück kaum fassen.

 

Nun geht alles schnell. Die Papiere werden ausgefüllt, und wir müssen noch eine thailändische Haftpflichtversicherung abschliessen. Dazu laufen wir zurück zur laotischen Grenze, wo entsprechende Versicherungsbroker tätig sind. 30 Minuten später erhalten wir die letzten Dokumente und dürfen nun 60 Tage ohne Guide Thailand bereisen. Euphorisch fahren wir von der Grenze davon.

Dies und Das

Auffällig viele Motorradfahrerinnen und Motorradfahrer tragen hier noch immer Gesichtsmasken. Sie schützen sich damit nicht nur vor Staub entlang der Strassen, sondern auch vor der Sonne, um nicht braun zu werden.

 

Leider haben wir in touristischen Orten oft den Eindruck, dass die Laoten glauben, sie müssten Touristen immer ein wenig über den Tisch ziehen. Es kommt nicht selten vor, dass wir unsere Einkäufe zurückgeben müssen. Bereits an der Grenze begann das mit dem Versuch, uns zu betrügen. Uns wurde das Wechselgeld für die Einfuhrsteuer vorenthalten. Da ich die Belege oft sofort überprüfe, fiel es mir auf. Ich ging also mit allen Quittungen der Gruppe zurück zum Schalter. Der Beamte hatte bei jedem von uns dasselbe gemacht. Erst nach ein paar klaren Worten rückte er das Geld zackig heraus. Für mich ist das eine Frage des Prinzips, und ich mag es einfach nicht, wenn versucht wird, uns so zu hintergehen.

 

Der buddhistische Feiertag Khao Phansa, wörtlich „Beginn der Regenzeit“, markiert den ersten Tag der dreimonatigen Regenzeitklausur. Während dieser Zeit bleiben die Mönche in ihren Tempeln (Pāli «vasso», Sanskrit «varsah» für Regen). Dieses Jahr fällt Khao Phansa auf Ende Juli, und wir sind gespannt, ob wir dann weniger Mönche unterwegs sehen. Der Feiertag wird nach dem Mondkalender am Tag nach dem ersten Vollmond im achten Monat begangen und ist im benachbarten Thailand sogar ein Nationalfeiertag.

 

Praktisch jeder Junge – und manchmal auch Erwachsene – trägt hier T-Shirts mit Comicfiguren. Wenn das meist in knalligen Rot- oder Blautönen gehaltene synthetische Oberteil dann auch noch mit der passenden bedruckten Hose kombiniert wird, wirkt es wie ein Pyjama.

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